« State of the Blogosphere | Main | Boah, ist die dick, Mann! »

Krauts und Rüben

Der Economist ist sicher eines der wenigen globalen Leitmedien. Regelmäßig gibt es darin sogenannte "Surveys", gründlich recherchierte Dossiers zu einzelnen Ländern und Themen. Die sind meist sehr lesenswert und deshalb praktisch das einzige Sammelobjekt, das ich mir über mehrere Umzüge hinweg leiste.

Wenn der Economist sich des Themas Deutschland annimmt, kann es vorkommen, dass SPIEGEL ONLINE oder Handelsblatt den Analysen des britischen Vorbilds längere Artikel widmen. Der aktuelle Deutschland-Survey scheint mir jedoch solche Aufmerksamkeit nicht wirklich verdient zu haben. Geschrieben hat ihn Ludwig Siegele, früher einmal freier Autor für die ZEIT, dann Silicon Valley-Korrespondent für das britische Magazin. Warum man ausgerechnet ihn, den Deutschen, dann im Herbst 2003 als politischen Korrespondenten nach Berlin versetzt hat, ist mir ein Rätsel. Die Deutschland-Berichterstattung lässt jedenfalls zu wünschen übrig. Es fehlt in Siegeles Berichten die originelle Außenperspektive auf das Geschehen hierzulande, und es fehlt, scheint mir zumindest, auch an dem politischem und wirtschaftlichem Know-How, das eine wirklich exzellente Analyse erst möglich macht. Die regulären Deutschland-Berichte des Economist gehen praktisch nie über das hinaus, was man in hiesigen Medien schon mehrfach gelesen, gesehen oder gehört hat.

Für den Survey im Economist der letzten Woche hat sich Siegele natürlich mehr Mühe gegeben, aber auch dieser Text bleibt merkwürdig unbefriedigend. Er klingt, als wolle hier ein Insider einem völllig ahnungslosen Fremden unser Land erklären. Und genau das ist untypisch, zumindest für das, was man von den besseren Teilen des Economist gewohnt ist. Dort wird für gewöhnlich Position bezogen und auf hohem Niveau argumentiert, mit teilweise durchaus riskanten und diskussionswürdigen Thesen. Nichts davon in Siegeles Text. Darin steht natürlich auch nichts grundsätzlich Falsches. Aber er hinterlässt den Leser mit einem ratlosen Achselzucken, bleibt in seiner kritischen Bewertung diffus wie einer dieser unsäglichen SPIEGEL-Titel (allerdings ohne deren arrogante und besserwisserische Attitüde). Schade: diese Lektüre kann man sich sparen.